Zurück ist schlimmer

Cabo Espichel
Cabo Espichel

Es geht weiter nach Norden. Der Wetterbericht sagt wenig Wind in Küstennähe voraus und scheint ideal für ein weitere Fahrt. Geplant ist die Fahrt bis Sesimbra in der Nähe des Kaps Espichel. Aber da es so gut läuft, will ich die läppischen 20nm nach Oeiras, nur wenige Meilen von Cascais entfernt und am Anfang des Rio Tejo Deltas, auch noch machen und noch vor Dunkelheit ankommen. Den Hafen habe ich mir nach Studium des entsprechenden Fachbuchs „Imray Pilots“ ausgeguckt. Schließlich war ich schon 2013 auf der Hinfahrt in dem Luxushafen von Cascais, der von Scherzkeksen unter den Seglern wegen der hohen Liegeplatzgebühren auch „Cashcash“ genannt wird. Dafür gibt es zur Begrüßung aber auch eine Flasche lokalen Rotwein. Die Rechnung von damals ist immer noch ich im Logbuch eingeklebt!

Die Fahrt scheint bei dem guten Wetter kein Problem zu bereiten. Außerdem beschreibt Sönke Roever bei blauwasser.de den Hafen durchaus als angenehm, warnt allerdings auch vor der tückischen Einfahrt bei viel Strom im Rio Tejo.

Die ersten Anzeichen von "Spezialbedingungen"
Die ersten Anzeichen von „Spezialbedingungen“

Was ich total unterschätzt habe, ist mal wieder die Besonderheit des Winds an den portugiesischen Kaps, die sich früh morgens durch wenig Wind auszeichnen und abends aber um so windreicher sind. Außerdem weiß ich vom hohen Stromversatz im Rio Tejo. Nun, das kennt man auch von der Elbe, z.B. beim Einlauf in die Marina Cuxhaven. Was ich aber nicht so bedacht habe, ist, dass ich bei ablaufendem Wasser mit immer mehr Gegenstrom ordentlich vorhalten muss und dass das natürlich auch Zeit kostet. Findus macht unter Motor also zunehmend weniger Speed. Bei stetig zunehmendem Wind von vorn mit Böen von 25kn und überkommendem Wasser kann ich zuletzt nur eine Geschwindigkeit von 1,6kn über Grund messen. Entgegen der Planung ist es jetzt schon dunkel.

Zu dem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass Karen in Kiel bei Antje und Klaus auf der SY Elbfuchs ist. Die Beiden wollen am nächsten Tag zum Ende ihres Urlaubs durch den Nordostsee-Kanal nach Brunsbüttel. Sie besprechen gerade die nahende Reise von Klaus nach Portugal, da Klaus mich in seinem neuen Rentnerleben ein paar Wochen unterstützen möchte. Und was machen sie da? Natürlich wird die FindUs mal wieder bei Marine Traffic „gestalkt“. Wieder Zuhause stellt Karen dann beim nochmaligen Nachschauen mit Verwunderung fest, dass FindUs immer noch vor der Hafeneinfahrt ist. Entweder hat die FindUs mal wieder ein Fischernetz im Propeller oder es scheint anständig Strömung gegenan zu sein. Letzteres ist diesmal der Fall. Sie ist erleichtert, als ich nach längerer Beobachtung endlich den Hafen erreicht habe.

Nach Sicht fahre ich also bei ablaufendem Wasser halbwegs Kurs Lissabon von Süden kommend in das Rio Tejo Delta hinauf, auf dem Plotter fahre ich allerdings genau auf die Hafeneinfahrt von Oeiras zu. Die kann ich aber nicht sehen, weil erstens zu viel Wasser überkommt und zweitens ist es inzwischen stockdunkel geworden. Erst eine Meile vor der Einfahrt sehe ich die Befeuerung mit zwei grünen und einem roten Leuchtfeuer. Bei mittlerweile 4kn Strömung und Wind von vorn komme ich kaum voran. Meine Taktik besteht nun darin, ein wenig mehr Höhe zu machen, um dann mit Speed in die Hafeneinfahrt einzulaufen, der über Eck versetzt eine zweite, nur sehr schmale Einfahrt folgt. Der Gedanke ist gut, aber die Zeit verfliegt. Ich komme mit FindUs kaum voran. Mit zunehmender Nähe zum Nordufer des Flusses nehmen glücklicherweise die Wellen und auch der Wind ab. Ich rausche in die dunkle Hafeneinfahrt und habe mich auf eine scharfe Rechtskurve vorbereitet, die zum Anleger am Empfangsgebäude und zur Tankstelle führt. So kommt es auch. Ich bin drin… und der Wind und die Wellen draußen! Wie schreibt Sönke noch: Die hohe Hafenbefestigung rundum vermittelt einem auch das Gefühl der Sicherheit. Das sehe ich in diesem besonderen Fall erst recht so.

Ein Segler eines englischen Schiffs sieht, dass ich allein an Bord bin und kommt den Steg hinunter um mir beim Festmachen zu helfen. Er kann sich den hämischen Spruch „Na? Ganz schön viel Wind draußen und … Strömung auch!“ aber nicht verkneifen. Er hatte allerdings die gleiche Erfahrung gemacht.

Meine Klamotten sind pitschnass und ich taste im Kühlschrank nach einem Bier, um den Salzgeschmack loszuwerden. Ohne es sofort zu merken erwische ich aber eine Cola. Ich habe keine große Lust auf eine erneute Suche, so verdünne ich das süße Zeug mit ordentlichem Rum und nach zwei Drinks liege ich in der Koje, … mal wieder um eine Erfahrung reicher.

Bei Tageslicht gesehen sieht die Einfahrt und die Marina Oeiras ganz anders aus
Bei Tageslicht gesehen sieht die Einfahrt und die Marina Oeiras ganz anders aus