Spicemas

 

Als Höhepunkt des Karnevals wird die sogenannte Spicemas-Saison, die schon im April beginnt, mit der „Parade of the Bands“ beendet. Der Sommertermin erscheint uns zunächst ungewöhnlich, aber in Verbindung mit den historischen und kulturellen Wurzeln macht er durchaus Sinn. So folgt das fröhliche und ausgelassene Finale auf den „Emanzipation Day“, der ein Nationalfeiertag ist. Auch das JAB JAB erinnert z.B. an die schwarze Urbevölkerung und startet in der Dunkelheit der Nacht vorm Morgengrauen mit wilden Tänzen der geschwärzten Männer.

Als Bands werden die Musik- und Tanzgruppen bezeichnet, die im jährlichen Wettbewerb stehen. Fast 20 Senior und Junior Bands finden ihre Sieger in den Finals. So wird schließlich eine Spicemas Queen gekürt, aber auch die Sieger verschiedener anderer Gruppen wie Calypso, Soca (SMC u. Grooy), Pan/Steelbands und DJs. An einigen Veranstaltungen nehmen wir teil.

 

Collage 1

 

Das, was alle weltweiten Karnevalsfeiern verbindet, ist schließlich auch auf Grenada die Ausgelassenheit und Fröhlichkeit, die hier ohnehin zu finden ist, beim Spicemas aber ausdrücklich. Und davon bekommen wir bei der Abschlussparade nochmal reichlich mit.

Wir haben im Voraus einen Superplatz auf der Empore eines Hafenrestaurants ergattert, wo auch die Jury beheimatet ist. Direkt vor uns bleiben die Bands stehen und führen ihre Tänze auf. Das kostet bei 30 Grad Hitze trotz spärlicher Bekleidung die Akteure viel Schweiß. Wir schwitzen schon vom Zusehen und Mitwippen im Takt. Egal ob Juniors oder Seniors, Frauen oder Männer, Groß-Familien mit Oma und Opa, allen sieht man die tiefe Spicemas-Verwurzelung an, nicht zuletzt an den tollen Kostümen.

 

Collage 2

 

Unsere vorsorglich eingepackten Ohrenstöpsel bleiben allerdings in den Tüten, da sie kaum etwas nutzen, denn nicht nur die sehr laute Musik, die aus den Lautsprechertürmen dröhnt bleibt trotz mehrwöchiger Erfahrungen für uns ungewohnt, sondern noch mehr die undefinierbaren Bässe, die mit ihren geringen Schwingungen und hohem Druck aus den Lautsprechern die Lungen unter den Rippen und das Zwerchfell in rhythmische Bewegungen versetzen. Angeheizt wird das Tun noch durch die Bandleader, die auf dem LKW vorausfahren und ihre Bands per Micro dirigieren. Das bunte Treiben, die Farben und die Musik ist einfach volkstümlich und … wenn man will, lässt man sich anstecken. Während die Tänzerinnen und Tänzer zumeist reichlich Wasser tranken, gab es für die Zuschauer an Ständen Bier und Limonaden, selten gab es Rumpunsch und nur einmal sahen und hörten wir einen Krankenwagen und auch die Polizei brauchte nicht einzugreifen.

 

Collage 3

 

Insgesamt ist diese Art von Karneval für uns eine neue Erfahrung, die noch lange -nicht nur in den Ohren- nachschwingt und so ganz anders ist als der Kölschse Ta tä -Tusch und der Mainzer Narrhalla-Marsch.

 

 

 

Not for Sissies!

Bei unserer großen Inseltour hatte uns unser Fahrer Justin auf die „River tubing“ Strecke aufmerksam gemacht. Schnell fand sich eine große Gruppe Erwachsener und Kinder für diese Veranstaltung. Am Donnerstag war es dann soweit. Da wir bei unserer ersten Tour nicht die auf Grenada heimischen Mona Monkeys (eine zu den Meerkatzen gehörende Primatenart) gesehen haben, denn nachmittags sind sie wohl schon satt und müde, ging es zunächst morgens ins Grand Etang Rainforest Reserve. Aber auch diesmal haben wir kein Glück: Alles rufen und hupen nützt nichts. Die Mona Monkeys kommen nicht aus dem dichten Regenwald heraus.

 

Regenwald satt, aber keine Mona Monkeys zu sehen
Regenwald satt, aber keine Mona Monkeys zu sehen

 

Also auf zum „River tubing“. Mit Helmen und Schwimmweste ausgestattet, gibt es erstmal eine kurze Sicherheitseinweisung, bevor wir in den großen Schwimmreifen den Balthazar River, auch Grenadas „Great River“ genannt, hinuntersurfen. Ein unglaublicher Spaß! Obwohl der Fluß an diesem Tag wenig Wasser führt und dementsprechend die Strömung nicht ganz so stark ist, drehen wir uns im guten Tempo den Fluss hinab. Zwischendurch gibt es immer wieder Sammelstellen an wunderschönen Plätzen. Eine Wiederholung ist schon in Planung.

 

River tubing
River tubing

 

Für den Abend steht dann unsere erste „Potluck-Party“ an. Sieben Crews haben Essen vorbereitet und jede hat sich mächtig ins Zeug gelegt: Von Quesadillas über Jerkchicken zu Hamburgern, Maccaroni and Cheese, Meatballs, gegrillte Ananas, Baked Potatoes, Pizza und Salat. Ein wahres „Topfglück“!

 

Potluck-Party auf dem Steg
Potluck-Party auf dem Steg

 

Samstag geht es endlich zum Hash.

Der findet jeden Samstag an einem anderen Ort der Insel statt, an den man sonst ohne Weiteres nicht gelangen würde. Er wird organisiert von „Drinkers with a running problem“.

Bei dieser Art Schnitzeljagd gibt es eine Wander- und eine Laufgruppe und die Wege führen durch teils unwegsames Gelände. Wir haben schon Verschiedenes darüber gehört und da wir eine Menge „Wiederholungshasher“ kennen, kann es ja eigentlich nicht so schlimm sein.

Auf der Tour zum River tubing unterhalte ich mit Theresa, die mit ihren beiden acht und elf Jahre alten Söhne so gut wie keinen Hash auslässt. Ihr Statement ist deutlich: „A hash is not for Sissies!“ Ich bin keine und so mache ich mich mit den Crews von „Mickbeth“ und „Moorahme“ auf den Weg. Reinhard ist wegen der morgendlichen Regenschauer skeptisch und sowieso nicht der große Wanderer. Er lässt mich gern erstmal testen.

Meine beim River tubing schön sauber gewordenen Turnschuhe versuche ich so gut es geht wieder schmutzig zu bekommen, da die Wasserfestigkeit neuer Schuhe durch das Einfüllen von Bier getestet und dieses anschließend aus den Schuhen getrunken wird. Schließlich soll das Bier nicht verschwendet werden. Wirklich kein Ritual, an dem ich teilnehmen möchte. Ich komme auch davon.

Nach einer kurzen Regeleinführung für die Neuen, genannt „Virgins“, geht die 3 Meilen lange Wanderung bzw. der 5 Meilen lange Lauf los. Wir sind in der Wandergruppe, die nach einem anfänglichen Stau sich bald in kleine Grüppchen aufteilt. Zunächst geht es auf einem schmalen Pfad abwärts. Bald ist ein kleiner Fluss ist zu überqueren. Aufgrund des wasserfallartigen Regens am Morgen ist das Gelände unglaublich matschig. Da teilweise ohne Handeinsatz kein Vorankommen möglich ist, bin ich schon nach fünf Minuten an Schuhen und Händen voller Schlamm.

Ein kurzer Abstecher auf einen befestigten Weg führt uns zu einem ziemlich steilen Anstieg. Danach wird es wieder unwegsam. Immer wieder ab- und aufwärts mit unheimlich tollen Aussichtspunkten, an die man sonst wirklich nicht gelangen würde. Am beeindruckendsten ist, dass wir plötzlich im Regenwald meinen, eine viel befahrene Straße zu hören. Es ist wahrscheinlich der Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit geschuldet, dass keiner von uns daran denkt, dass es auf Grenada überhaupt keine Schnellstraßen gibt. Deshalb sind wir auch überrascht, als wir aus dem dichten Gebüsch heraus plötzlich auf einen einsamen Strand treten.Der „Straßenlärm“ entpuppt sich als Brandung.

Der restliche Weg ist zwar wegen eines erneuten Anstiegs nicht minder anstrengend aber deutlich einfacher, weil er über befestigte Wege führt. Klares Fazit: Not for Sissies and not for Reinhard, der lieber am Schiff werkelt oder am Pool relaxt. Ich bin beim nächsten Hash wieder dabei.

 

Stau vorm Abstieg/ Weite Sicht/ Verschwitzt kurz vorm letzten Aufstieg
Stau vorm Abstieg/ Weite Sicht/ Verschwitzt kurz vorm letzten Aufstieg

 

 

Freizeitaktivitäten

 

Man könnte ja meinen, dass mehrere Monate auf ein und derselben Insel in ein und derselben Marina langweilig würden. Aber weit gefehlt. Wie schon mal erwähnt, gibt es jeden Morgen um 7:30 Uhr auf dem VHF-Kanal 66 die aktuellen „social activities“. Eine dieser Aktivitäten ist die donnerstägliche Cooking-Class mit Esther und Omega in der True Blue Marina.

Seit Wochen schon planen wir den Ausflug, aber immer kam etwas dazwischen. Letzten Donnerstag nun war es soweit. Die „Le Phare Bleurers“ machen sich auf den Weg.

 

Die „Le Phare Bleurers“
Die „Le Phare Bleurers“

 

Wir haben davon gehört, dass es sich bei der Cooking-Class nicht um einen Kochkurs handeln würde, bei dem man selbst kocht, aber sich die Teilnahme auf jeden Fall lohnen würde. Und so ist es auch: Die beiden Damen

 

Esther und Omega (von re. nach li.)
Esther und Omega (von re. nach li.)

 

liefern mit ihren Streitgesprächen über die richtige Zubereitungsweise eine bühnenreife Show. Und besonders erfreulich ist, dass Esther uns eröffnet, sie habe heute keine Lust zum Kochen. Diesmal sollten wir doch Bitteschön mitarbeiten. Und so werden Hühnerbrüste, die von Riesenhühnern stammen müssen, mit Taschen zum Füllen versehen

 

Beth und die Hühnerbrust
Beth und die Hühnerbrust

 

und mit Callaloo, eine Elefantenohrartige Grünpflanze die geschmacklich und von der Faser sehr an Spinat erinnert, gefüllt. Dazu noch ein Kochbananensalat und fertig ist das Gericht. Wie bei einer Kochshow üblich, haben die Damen schon mal etwas vorbereitet.

 

Callaloo Chicken „n“ Nutmeg Sauce mit Ripe Plantain Salad
Callaloo Chicken „n“ Nutmeg Sauce mit Ripe Plantain Salad

 

Einfach „total lecker“.

 

Am Samstagmorgen geht es um 9:45 Uhr los ins National Stadium. Um 11:00 Uhr soll hier der Kinderkarneval starten und da Robin (9) und Gwen (12) von der SY Mickbeth die Möglichkeit haben, hier in typisch karibischen Kostümen (in dem Fall als Korallen) mitzulaufen und uns auch die anschließende Steelbandcompetition der Juniorklassen interessiert, schließen wir uns gemeinsam mit zwei weiteren Crews an.

Beunruhigend finden wir die Wetterprognosen des Tages: 30 Grad Celsius bei 94% Luftfeuchtigkeit. Stimmen Wetterprognosen auch selten, diese trifft zu. Und so schwitzen wir vor uns hin. Und warten. Und warten. Und warten. Ich mache schon Scherze, dass es wohl 15 Uhr werden wird – nicht ahnend, dass ich damit gar nicht so schlecht liege.

Immerhin haben wir die Möglichkeit, frühzeitig ins Stadion zu kommen und einen Schattenplatz zu ergattern. Für Essen und Trinken ist auch gesorgt. An einem Stand erstehen Reinhard und ich ein Beef-Roti. Ein Roti ist eine Art mit Kartoffeln und Currysauce gefüllter Pfannkuchen, den es meistens als Chicken-, Beef- oder Conch-Roti gibt – eine ziemlich sättigende Zwischenmahlzeit.

Unglücklicherweise gibt es Chicken-Roti meistens nur mit kleinen Knochen im Fleisch. Die Einheimischen sollen es sehr mögen, auf diesen Knochen rumzukauen. Und die Reaktion auf meine Frage nach boneless Chicken-Roti bestätigt das. Auf sehr charmante aber deutlich „Kostverächter“ zum Ausdruck bringende Art wird uns das Beef-Roti ans Herz gelegt. Keine schlechte Wahl und vor allem ohne Knochen.

Damit sich die wartenden Zuschauer nicht zu sehr langweilen, werden sie mit Socamusik vom Feinsten unterhalten, natürlich in gewohnter Karibiklautstärke, die einem startenden Jumbojet entspricht. Unterhaltung quasi ausgeschlossen.

Um 13:00 geht das Spektakel endlich los. Allerdings anders, als wir es wohl alle erwartet haben. Zweimal zehn Gruppen sind am Start. Die ersten zehn scheinen immer das gleiche aufzuführen. Es wird durcheinander getanzt und gehüpft. Unmengen von Babypuder werden in die Luft geworfen und ein oder zwei der Tänzer singen irgendetwas dazu. Für uns unterscheiden sich die Gruppen nur durch die Kostüme, die überraschend schlicht sind. Aber die Jury schreibt eifrig was auf und jede Gruppe ist eine gefühlte Ewigkeit auf der Bühne. Der nächste Teil wird dann deutlich bunter und entspricht von den Kostümen her schon eher unseren Vorstellungen, z.B. als Eis verkleidete Kinder.

 

Eisprinzessin
Eisprinzessin

 

Die Abfolge ist auch hier immer gleich: Erst die beiden Hauptfiguren, dann die große Tanzgruppe hinterher. Jede einzelne Gruppe verkörpert ein anderes, diesmal für uns erkennbares, Thema. Z. B. den heißen Sommertag (die Eiskostüme), die Seefahrer von Grenada oder die Gruppe, in der Gwen und Robin auftreten, das Meer und seine schützenswerten Bewohner. Die beiden sind als Korallen verkleidet und kurz vor einem Hitzschlag und, wer hätte es gedacht, sind ziemlich genau um 15:00 Uhr auf der Bühne.

 

Tanzende Korallen
Tanzende Korallen

 

Der Wettbewerbscharakter, den Karneval hier deutlich hat, kommt durch die Aufführungen auf der Bühne und die davor sitzenden drei Juroren klar zum Ausdruck. Insofern liegt der Fokus weniger auf der Präsentation für die Zuschauer und der Stellenwert des Karnevals schon für die Kleinsten ist deutlich zu erkennen.

 

Länger halten wir es aber trotzdem nicht im Stadion aus. Die Temperaturen und die durchgeschwitzte Kleidung zehren an uns. Ganz Touristen wollen wir nur noch in den Pool.

Bei unserer Rückkehr müssen wir dann feststellen, dass dieser wegen einer Hochzeitsfeier im dazugehörigen Restaurant „The Deck“ geschlossen ist. Aber wofür liegen wir in einer Marina mit sauberem Wasser. Mit mehreren Crews tummeln wir uns kurzentschlossen im äußeren Hafenbecken.

Ursprünglich mit einem Drink hierhin gelockt, wird eine Idee geboren: Reinhard schlägt vor, von Boot zu Boot zu kraulen und überall ein Glas zu trinken. Der Vorschlag wird sofort aufgegriffen und, ohne es zu wissen, wird so der erste „Boat-Crawl“ von ihm erfunden. Wir verabreden uns für Montag um 13:30 Uhr auf „Mickbeth“ als Startschiff.

Aber natürlich muss das ganze noch ein bisschen Rahmenprogramm haben und so entschließt sich Reinhard, die Veranstaltung mit einem „Rescueboat“ zu begleiten. Eine Absicherung ist bei so einer Veranstaltung immer erforderlich. Ein kurzes Brainstorming mit „Mickbeth“ ergibt, dass das Rescueboat auch gleich den Beginn einleiten soll.

So kommt es, dass ich um 13:25 Uhr Reinhard im Dinghy sitzend und Akkordeonspielend durch das Hafenbecken ziehe. Sechs Crews (14 Personen) nehmen teil. Überall gibt es ein Getränk und einen Imbiss und auf jedem Boot wird ausgewürfelt, wohin wir als nächstes schwimmen. Außerdem wird auf jedem Boot eine (für die meisten von uns unlösbare) Trivial-Frage gestellt.

 

Beginn auf „Mickbeth“
Beginn auf „Mickbeth“

 

"Rescueman“
„Rescueman“

 

Mit unterschiedlichsten Wasservehikeln, von der Luftmatratze über das Stand-Up-Paddel bis hin zum Kajak geht es durch das Hafenbecken. Und Reinhard muss natürlich auch mitgezogen werden. Zu meiner großen Freude entbindet mich Lynn gleich von meiner Aufgabe und schleppt Reinhard den Rest des Nachmittags ab.

 

„Schlepperin"
„Schlepperin“

 

Wie es der Zufall will, sind wir als letztes Boot an der Reihe. War ja irgendwie klar. Spontan entscheidet sich dann noch eine weitere Crew uns einen Drink zu spendieren und rückt mit einer großen Mischung Cola-Rum an. So bleiben wir also für zwei Runden bei uns. Vier weitere Teilnehmer des „Boat-Crawls“ sind übrigens auf dem Bild nicht zu sehen, weil sie direkt mit mir auf einer Höhe sitzen.

 

Ende auf „FindUs“
Ende auf „FindUs“

 

Es war mit Abstand die bislang witzigste Unternehmung unserer Reise.

 

 

Spice-Island

Während unser Webmaster Gerald mit seiner Familie im wohlverdienten Sommerurlaub weilte, wollten auch wir ihm eine wohlverdiente Pause gönnen.

Untätig waren wir aber nicht. Gemeinsam mit Crews aus Canada und den USA machen wir eine Inseltour. Unser erster Stopp sind die Concord-Falls. Sie liegen im Westen der Insel und es besteht die Möglichkeit, im Becken zu Baden oder natürlich auch, am Wasserfall ins Becken zu springen. Für Letzteres gibt es zum Glück professionelle Jumper. Und so spricht uns direkt nach der Ankunft ein junger Einheimischer an und teilt uns mit: „I’m your Jumper“.

Video Jumper
Video Jumper

Von dort springt keiner aus unserer Gruppe, wohl aber von einem niedrigeren Vorsprung auf der anderen Seite. Ich begnüge mich damit, im recht kalten Süßwasser hinter den Wasserfall zu schwimmen.

Wasserfall von innen

Es ist schon beeindruckend, was für ein starker Sog durch den Wasserfall entsteht.

Nach dem erfrischenden Bad geht es weiter zur Muskatnussfabrik. Muskatnüsse sind das wichtigste Exportprodukt der Insel. Nicht umsonst findet sich die Frucht in der Flagge Grenadas wieder. Lange Jahre lag Grenada unangefochten nach Indonesien (75 % Marktanteil) mit 20 % Marktanteil auf Platz zwei im weltweiten Muskatnusshandel. Durch den Hurrikan Emily, der im Jahr 2005 auf den Hurrikan Ivan folgte, wurde ein großer Teil der Muskatnussbäume vernichtet. Der Export brach um 70 % ein. Mittlerweile haben sich die Baumbestände erholt und Grenada und ist nun im Muskatnusshandel wieder ganz vorne dabei. Die Frucht ist reif, wenn ihre gelbe Schale aufplatzt.

Reife Muskatnussfrucht

Alle Bestandteile der Frucht werden verwendet: Aus dem gelben Mantel lassen sich u. a. Marmelade und Sirup,

Marmelade und Sirup I Marmelade und Sirup II

aber auch Likör herstellen. Der rote Mantel, der um die Nussschale liegt, ist Macis, auch als Muskatblüte bekannt. Dieser Bestandteil wird vor allem für Fleischgerichte, u. a. Weißwürste, verwendet. Und zu guter Letzt natürlich die Muskatnuss.

In der Fabrik werden die Schalen automatisch geknackt und in Handarbeit von Frauen aus der Schale entfernt. Bezahlt werden die Frauen für jeden gefüllten Sack, was in der Regel einen Tag Arbeit bedeutet und gerade mal 42 EC, also ca. 14 €, einbringt.

Arbeiterin Muskatnussfabrik

Nachdem die Nüsse aus der Schale entfernt sind, kommen sie in ein Wasserbad um zu testen, ob sie für den Verzehr geeignet sind. Bleiben sie auf dem Boden liegen, sind sie in Ordnung. Anschließend kommen die Nüsse zum Trocknen in die Regale.

Trocknungsregal

An anderer Stelle werden die Jutesäcke für den Versand beschriftet

Schilderwerkstatt

und das fertige Produkt kann sich dann auf den Weg in die Welt machen.

Auf nach Hamburg

Aber nicht nur Muskatnüsse werden von Grenada exportiert, sondern auch Kakao.

Und so darf natürlich ein Besuch von einer der beiden Schokoladenfabriken nicht fehlen. Die Diamond Chocolate Fabrik ist eher klein,

Foto Schokoladenfabrik I Foto Schokoladenfabrik II Foto Schokoladenfabrik III 

was aber dem Produkt in Qualität und Geschmack keinen Abbruch tut.

An einer Probierstation können unterschiedliche Varianten bis hin zu gerösteten Stücken der Kakaoschale getestet werden.

Probierstation

Nicht ohne Folgen: Tafeln mit unterschiedlichem Kakaogehalt und Muskatnussschokolade wollen unbedingt gekauft werden.

Schokoladenvielfalt

Auf dem Weg zum Lunch machen wir noch in Leapers Hill Station. Nachdem 1651 die Kariben den Krieg gegen die auf der Insel lebenden Franzosen verloren hatten, zogen die meisten der verbliebenen Kariben es vor, hier in den Tod zu springen. Kaum vorstellbar, dass sich vor diesem Panorama eine solche Tragödie abgespielt hat. Und noch immer ist dieser Ort eng mit dem Tod verbunden: Einige sterben für diese Aussicht.

Leapers Hill

Zum Lunch geht es ins „Belmont Estate“. In luftigen, kühlen Räumen mit Blick auf die Gärten und Trocknungseinrichtungen für die Kakaobohnen essen wir zu absolut verträglichen Preisen ein Drei-Gänge-Menü: Papayasuppe für Reinhard, grüne Bananensuppe für mich, anschließend Jerkchicken (auf karibische Art mariniertes Huhn), Thunfisch und mariniertes Schwein, mit direkt vor Ort angebautem Salat oder gedünsteten Bananen. Zum Essen trinken wir übrigens auch Tabwater, also kaltes Leitungswasser, was keinerlei Probleme verursacht. Beim Nachtisch, der ausschließlich aus eigenen Produkten und aus eigener Herstellung stammt, kann man zwischen Schokoladenkuchen (Reinhard), Limetten- oder Muskatnusseis (ich) wählen.

Blick auf und aus Belmont Estate I Blick auf und aus Belmont Estate II

Nachdem wir alle mehr als satt sind, trifft es sich gut, dass der nächste Besichtigungspunkt die River Antoine Estate Raumdestillerie ist. Hier wird noch wie im Jahr 1785 Rum hergestellt. 80.000 Flaschen ausschließlich weißen Rums werden hier im Jahr produziert. Für braunen Rum, der mindestens sieben Jahre lagern muss, ist die Produktion zu klein. Sie produzieren schon jetzt nicht genug und können daher keinen Rum mehr abzweigen.

Den hier produzierten Rum gibt es in zwei Ausführungen: 69 % oder 72 %. Die 69 %-Variante ist vor allem für die Touristen gedacht, da die Grenze für die Mitnahme alkoholischer Getränke im Flugzeug bei einem Alkoholgehalt von 70 % liegt. Reinhard wittert bei diesen Prozenten schwerstes Sodbrennen. Ich probiere dagegen beide Varianten: Ein geschmacklicher Unterschied ist kaum zu merken und die Kehle brennen einem beide weg. Aber zum puren Genuss ist dieser Rum auch nicht gedacht und deshalb dürfen wir auch noch zwei Mixvarianten – einmal als Mangorumpunsch (mir ein bisschen zu klebrig süß) und mit flüssiger Schokolade (schon viel besser) probieren. Auch wenn es sich so anhört: Es waren natürlich nicht vier Gläser Rum sondern wirklich nur ganz kleine Mengen. Ansonsten wäre der Tag bei der hier vorherrschenden Hitze für mich gelaufen gewesen.

Produktion und fertiges Produkt I Produktion und fertiges Produkt II Produktion und fertiges Produkt III

Produktion und fertiges Produkt IIII Produktion und fertiges Produkt V

Die Weiterfahrt führt zum alten Flughafen Grenada-Pearls, der seit 1984 nicht mehr in Betrieb ist. Heute dient die alte Start- und Landebahn als Übungsplatz für den Autoführerschein und die Grünflächen als Weideplatz für Kühe und Ziegen. Diesen teilen sie sich mit zwei alten Flugzeugen russischer Bauart der Fluggesellschaft Cubana, die nach der US-Invasion 1983 hier zurück gelassen wurden.

Zurückgelassene Flieger I Zurückgelassene Flieger II Zurückgelassene Flieger III

Den Abschluss des Tages bildet eine Fahrt zum Grand Etang Lake. Dieser Vulkansee mit mehreren hundert Metern Durchmesser liegt im Regenwald im Nationalpark Grand Etang. Unzählige Fische schnappen nach dem Futter, wobei die großen Exemplare erst zum Schluss auftauchen. Ein erfrischend kühler und idyllischer Ort.

Grand Etang Lake

Unser nächster Ausflug führt uns zur Probe des Commancheros Steel Orchestra.

Ähnlich wie in einem Sinfonieorchester, gibt es von Sopranstimmen bis zum Bass verschiedene Gruppen, die harmonisch und rhythmisch miteinander musizieren. Seit ihrer Entstehung haben sich die anfänglich aus Fässern hergestellten Instrumente zu industriellen Fertigungen verbessert, die sich klanglich gewaltig vom ursprünglichen „Blechscheppern“ unterscheiden.

Anfang August ist auf Grenada Karneval, auch Spicemas genannt, und hier werden verschiedene Steel Pan Bands bzw. Steel Orchestras zu sehen sein. Wer also glaubt, dass Steel Pan Musik nur etwas für Touristen ist, irrt gewaltig. Nicht nur die Grenader halten traditionell diese ursprünglich in Trinidad entstandene Musikart aufrecht und Nachwuchssorgen bestehen keineswegs. Die Commancheros haben in ihrer dreißigjährigen Geschichte bereits zweiundzwanzig Mal den Titel „Band of the year“ gewonnen.

Commancheros
Video Commancheros

Zu den Commancheros gehört auch das „Associates Mas Committee“. Parallel zur Probe wird daher auch eifrig an den Kostümen gearbeitet.

Spicemas Kleidung

Für uns besteht tatsächlich die Möglichkeit, eines dieser Kostüme zu erwerben und beim „The Commancheros and Associates Mas Committee“ mitzulaufen. Bei der Vorstellung weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Lieber werden wir uns die „Locals“ ansehen, die diese Art von Kleidung tragen können.

 

Art Fabrik

 

Bereits seit Martinique hat Reinhard immer wieder Probleme mit den Augenlidern. Abwechselnde Entzündungen haben schon zu einer erheblichen Plünderung der Bordapotheke von Augentropfen und Augensalbe geführt. Da das auf Dauer kein Zustand ist, entschließt er sich auf Grenada zum Besuch der Augenklinik. Und siehe da, die Ursachen, bakterielle Infektionen und eine Überkorrektur der Brillengläser, die zu häufigem Reiben der ermüdeten Augen führt, wird genauso schnell gefunden wie die Wirkung beseitigt werden soll.

Die kompetente venezuelische Augenärztin operiert beide Augen zur gleichen Zeit. Das Ergebnis ist ein blinder Passagier an Bord. Damit ich ihn aber noch nach Hause bekomme, wird nur ein Auge abgeklebt. Das andere muss gekühlt werden.

Trotzdem zeigt sich langsam ein blauer Schimmer auf dem Lid. Neben meinem Bedauern für Reinhard steigt die Sorge in mir auf, was sich wohl unter dem Pflaster des anderen Auges befinden mag. Abends darf es abgenommen werden und ich stelle mich schon einmal auf böse Blicke anderer Marinagäste ein. Schließlich soll es ja auch Frauen geben, die ihre Männer schlagen… Doch zum Glück erweist sich die Sorge als unbegründet: Es ist quasi nichts zu sehen und auch das Veilchen des linken Auges ist kaum zu erkennen. Exzellente Arbeit!

 

Blinder Passagier
Blinder Passagier

 

So können wir auch bald wieder Ausflüge unternehmen oder wie man eine Shoppingtour nennen möchte, die sich ausnahmsweise mal nicht um Antifouling oder Ersatzteile fürs Schiff dreht. Ich brauche dringend neue Kleidung und Dieter gibt uns den Tipp, in die Art Fabrik in St. George’s zu gehen.
Der Weg dorthin führt uns durch den Sendall Tunnel, der sowohl von Autos als auch von Fußgängern benutzt wird – ohne extra ausgewiesenen Fußgängerweg versteht sich. Dafür ist der Tunnel von 1894 deutlich zu schmal.
Also mutig hinein …
Ab in den Tunnel
Ab in den Tunnel

 

… und unerschrocken die Fahrzeuge passieren lassen.

 

Gegenverkehr
Gegenverkehr

 

Nach diesem Erlebnis zieht es Reinhard zum House of Chocolate.

 

House of Chocolate
House of Chocolate

 

Aber das muss warten, denn gegenüber liegt die Art Fabrik.

 

Art Fabrik
Art Fabrik

 

Hier gibt es eine große Auswahl von komplett und ausschließlich auf Grenada gefertigten Batiktextilien und Kunsthandwerkstücken. Alles Handarbeit, alles Unikate. Noch während wir am Stöbern sind, treffen wir auf Chris, eine der beiden Inhaberinnen. Sie lädt uns ein, das Atelier im Obergeschoss zu besichtigen. Diese Einladung nehmen wir gerne an. Im Atelier begrüßt uns die zweite Inhaberin Lilo. Sie stammt aus der Schweiz, ist ebenfalls Seglerin, schon viele Jahre unterwegs und lebt ebenfalls auf ihrem Boot. Lilo gibt uns eine Einführung in die jahrhundertealte Technik des Batikens, wie sie immer noch angewendet wird. Um bestimmte Muster und Formen auf den Textilien zu erhalten, wird eine Mischung aus durch Erhitzen verflüssigtem Paraffin, Bienenwachs und recyceltem Wachs mit verschiedenen Pinseln und Werkzeugen aufgetragen.

 

Demonstration der Batiktechnik
Demonstration der Batiktechnik

 

Nach dem Färben wird das Wachs wieder ausgekocht, so dass es wieder verwendet werden kann. Eine absolut nachhaltige Prozedur. Und das fertige Kleidungsstück kann sich sehen lassen.

 

Unikat
Unikat

 

Das war sicherlich nicht unser letzter Besuch in der Art Fabrik.

 

Auf dem Rückweg machen wir einen Stopp im Careenage Café. Auf einer wandfüllenden Weltkarte haben Segler aus aller Welt ihre Herkunft markiert. Unser letzter Wohnort war zwar Flensburg, aber als ich entdecke, dass auf der Karte tatsächlich Föhr zu sehen ist, entscheide ich mich dazu, die Insel, auf der ich aufgewachsen bin, zu markieren.

Der einzige Ort, den ich neben Findus als Heimat bezeichne.

 

Kleiner Punkt auf der Weltkarte
Kleiner Punkt auf der Weltkarte