Das Ungetüm von Nazare

 

Die wirklichen Ausmaße von der hier bei Surf-Meisterschaften abgerittenen 30m Welle sind bei Spiegel-Online zu sehen: Video vom „Ungetüm in Nazare„. Ich war da, allerdings im Hafen. Selbst da schaukelte es enorm. Die einfach weggerissene und ersetzte Backbordmole konnte ich bei der Ausfahrt fotografieren.

Backbordmole von Nazare (31.10.2013)
Backbordmole von Nazare (31.10.2013)

 

Datum: 31.10.2013 – 11:53 Uhr

Position: N 39 36 25.20 / W 9 4 38.38

Richtung: 55.74

Position in Google Maps

 

So hatte ich mir die portugiesische Küste nicht vorgestellt. Hier sind zwar immer noch sommerliche Temperaturen von 20 Grad, aber auch unberechenbares Wetter und verdammt hohe Wellen.

In der Zwischenzeit bin ich in Peniche angekommen. Wieder habe ich Wartezeiten, da ich bei Gegenwind und Gegenstrom wohl kaum bei immer noch 3-4 m hohen Wellen den Hafen verlassen werde.

Segeln macht stets angeleint im Cockpit nur bedingt Spaß. Meine Schleppangel musste auch schon dran glauben. Selbst die gesicherte Kaffeetasse fliegt da aus der Halterung. Obwohl der Ritt die Welle runter mit mehr als 9 Knoten schon geil ist.

Da trinke ich lieber im Java House ein einheimisches Bier. Es ist kaum zu glauben – hier gibt es auch Flensburger in Flaschen – für 2,95 Euro !

Bei der Einklarierung wurde ich übrigens von der netten freundlichen Zollbeamtin an Bord gefragt: „Sind Sie allein?“ Ich stutzte und fragte zurück: „Sind Sie allein?“ Ihre portugiesischen Augen blitzten und Sie korrigierte, ob ich an Bord allein wäre? Ich bejahte die Frage. Aber meine Antwort, auf ihre Frage, ob ich Tiere an Bord hätte, die ich mit „Ja!“ beantwortete, machte sie aber erst richtig nervös. Als ich ihr aber meine Stammcrew in Form von ausgestopften Katzen, nämlich Findüs und Findus zeigte, war sie erleichtert. Schließlich war es kurz vor Feierabend, und wer füllt da noch gerne Formulare aus… für einen Lohn von 1.200,00 Euro monatlich ohne Überstundenbezahlung. Und die sollen jetzt noch auf 800,00 Euro gekürzt werden. Da ist so eine menschliche Begegnung doch Gold wert?

Im Hafen kamen bei „FindUs“, bekanntlich eine Catalina 34 aus den USA, alle 12 Fender einschließlich Kugelfender zum Einsatz und alle Leinen auf 6 Klampen, 2 Winschen und den Steg verteilt, die an und für sich nur für den Panamakanal vorgeschrieben sind, aber an Bord sind. Außerdem wurden die Boote so verholt, dass beim Aufschaukeln die Masten nicht gegeneinander stoßen konnten. Ein Holländer mit seiner „Lilly“, einer Catalina 38, lag morgens quer in der Doppelbox. Am seitlichen Ausleger war ein Bolzen gebrochen. Nun hing der Ausleger am Schiff fest, was quer zum Steg abgespannt war. Das spricht doch irgendwie für die Solidität der Schiffe.

Meine fast 90jährige Mutter hält ihren Sohn im zarten Alter von 60+ natürlich für waghalsig. Dem konnte ich aber gegenüberstellen, dass es die richtige Entscheidung war, vorzeitig in Ruhestand zu gehen, denn in der Flensburger Universität wäre ich vom gleichen Orkan „Christian“ vom abgedeckten Dach und Deckeneinbruch an meinem Dienstplatz erschlagen worden und die Nachzahlung wäre auch dahin.

 

Wartezeit und Unterricht im Hafen

 

Das Tief „Christian“ hat wohl in ganz Westeuropa gewütet. Hier sind in den hohen Wellen vorm Hafen drei Fischer ums Leben gekommen, zwei werden noch vermisst. Ihr Boot war gekentert und gesunken. Wegen der Bergung ist der Hafen b.a.w. gesperrt. Das ist nach nur einem halben Jahr der zweite Unfall.

Die Bilder und Nachrichten, die ich auch aus Deutschland empfange, sind ähnlich schlimm.

Ein besonderes Erlebnis in der Wartezeit ist für mich die Bekanntschaft von Sonia Falcou und Brice Le Huec mit ihren beiden Kindern Arthur (6) und Awen(10) aus Lorient/Bretagne. Sie sind nun zum 2. Mal auf Langfahrt und liegen am gleichen Steg. Von ihrer ersten Reise sind der Film und das Buch „Les enfants de l’Atlantique“ bekannt (s.a. gleichn. Blog). Die Kinder werden von Sonia, die Lehrerin ist, unterrichtet. Wenn sie zurückkommen, werden sie fast die ganze Welt gesehen haben, mehrere Sprachen sprechen und vor allen Dingen, Primärerfahrungen gemacht haben – eine wesentliche Bedingung für ein natürliches Lernen und ihre Entwicklung. Nebenbei werden sie andere Kinder und andere Kulturen kennengelernt haben.

In ihrem Schiff „Chintouna“ stehen übrigens kleine Joghurtbecher, teilweise mit feuchter Watte und Samen. So lässt sich das Wachstum unter verschiedenen Bedingungen beobachten. Arthur zeigt mir, dass z.B. im abgedeckten dunklen Becher die Samen kaum wachsen und gelb werden. So funktioniert Biologieunterricht auch auf See.

Ich habe die große Ehre, als Musiklehrer tätig werden zu dürfen. Und siehe da, innerhalb weniger Tage spielen nicht nur die Kinder, sondern die ganze Familie den C-Jam-Blues in der Besetzung Gitarre, Blockflöten, Schellenkranz, selbst gebaute Klangstäbe und Keyboard. Chansons und natürlich Shanties sind auch dabei.

Brice hat bei dem miesen Wetter seine Seekarten sortiert und mir einige, die er nicht mehr benötigt, geschenkt. Darauf sind Kurse eingezeichnet und nautische Angaben zu lesen. Vielleicht, ja vielleicht werden sich die Kurse von „Chintouna“ und „FindUs“ sich irgendwann und irgendwo mal wieder schneiden. So Long !

Musikunterricht mit der Besatzung der SY Chintouna (28.10.2013)

 

Datum: 28.10.2013

Position: N 40 8 50.87 / W 8 51 35.26

 

Position in Google Maps

 

 

 

 

Schietwetter in Figueira da Foz

 

Natürlich braucht ein Skipper für die Langfahrt die Wind- und Strömungskarten, die sog. Monatskarten. Diese geben die statistischen Häufigkeiten in bestimmten Gebieten der Erde an. Da wir nunmehr auf einen Klimawandel zusteuern, haben Jimmy und Ivan Cornell die Daten der letzten 20 Jahre in ihrem Atlas der Ozeane zusammengetragen.

Um auf der sicheren Seite zu sein und Reisen planbar zu machen, haben wir uns dieses Teil für viele Euros gekauft. Und was ist der Erlös? Im Oktober stehen für das hiesige Atlantikgebiet überwiegend nördliche Winde an und ein Flautentag.

Ich sitze aber nunmehr bei starkem Südwind und Regen wie in einer Falle im Hafen von Figueira da Foz fest, weil sich dieses blöde Wetter nicht an die Statistik halten will.

Wegen zu großer Wind- und Wellenstärken ist der Hafen komplett von der Policia Maritima gesperrt worden. Das kann man ihnen nicht mal übel nehmen, denn sie kennen die Gefährlichkeit, schließlich haben sie bei ähnlichem Wetter am 12.4.2013 bei der Rettungsaktion von der Segelyacht „Meri Tuuli“ (X442) aus Hamburg vor dem Hafen einen ihren Kameraden verloren. Auch ein Mitglied der Mannschaft starb.

Hier im Hafen verfärbt sich das Wasser durch den Flussablauf bedingt auf rotbraun. Auf dem Atlantik wird die Wellenhöhe mittlerweile von verschiedenen Wetterprogrammen mit über 10 m angegeben, Tendenz steigend. An eine Überfahrt nach Madeira ist im Moment und in nächster Zeit überhaupt nicht zu denken.

Wenigstens sind die Hafengebühren jetzt in der Nachsaison erträglich geworden. So zahle ich hier für eine Woche nur noch 86 Euro, inkl. Wasser, Duschen, Strom und WLAN. Bis zum September lagen die Preise in den Häfen zwischen 25 und 40 Euro täglich, teilweise sogar ohne Zusatzleistungen.

Zum Glück sind das Ölzeug und die Gummistiefel nicht nur auf dem Schiff nutzbar. Es dient mir auch beim Gang in die gegenüberliegende Markthalle, um mich mit frischem Gemüse, Obst, Brot, Fisch und Fleisch zu versorgen. Die Auswahl ist groß. Eines gibt es hier jedoch leider nicht: Einen Sack voll Sonne mit mäßigem Nordwind.

Gut, dass ich im Hafen bin. Werde wohl einen kleine Autotrip mit meinen Bootsnachbarn ins Landesinnere vornehmen.

Gruß Reinhard

Markthalle in Figueira da Foz (24.10.2013)
Markthalle in Figueira da Foz (24.10.2013)

 

Brandung am Strand von Figueira da Foz (24.10.2013)
Brandung am Strand von Figueira da Foz (24.10.2013)

 

Datum: 22.10.2013 – 12:46:15 Uhr

Position: N 40 8 47.41 / W 8 52 24.00

Richtung: 287.04

 

Position in Google Maps

 

 

Anmerkung vom Webmaster:

Leider ist bei der Bildunterschrift „Brandung“ mit „Dünung“ vertauscht worden. Ist jetzt aber korrigiert. Folgende Erklärung, die postwendend hier einging, gibt aber auch dem Laien Aufschluss über den Begriff Dünung.

„Als Dünung wird die stetige lange Welle auf dem Ozean bezeichnet (im Atlantik meist aus West), die nicht durch Wind hervorgerufen wird und in Frequenzen angegeben wird, z.B. 10,2 Sekunden, aber durchaus von Windwellen überlagert wird, die Wetter bedingt entstehen. Bei meinem Törn habe ich durchaus eine Dünung von über 3 m erlebt, die aber harmlos ist, da die Wellen bei einer 10 er Frequenz ca. 100 m Abstand haben. Unangenehmer wird es dabei, wenn die zum Teil querlaufenden Windwellen zu Kreuzseen werden, wie z.B. zurzeit, wenn Südwind mit 40 kn und den dazugehörigen Südwellen auf Westdünung trifft.“

 

 

Das Ende eines schweren Arbeitstages bei 21 Grad in Mittelportugal

 

Kaum sind die dunklen Wolken über Mittel-Portugal verschwunden, ziehen neue heran. Das Tief auf dem Atlantik scheint festzuliegen und schickt am Rande immer neue Wolken mit Regen, Südwind und wachsenden Wellen. Ideal für Surfer, aber nicht für Segler, die nach Süden wollen, denn die portugiesische Küste mit den der Flussmündungen vorgelagerten Flachs ist nicht ohne Gefahren bei dem Wetter zu befahren.

Im Hafen wächst so eine neue internationale Gemeinschaft heran. Jede Crew entwickelt andere Warteaktivitäten. Der ältere Franzose mit dem Holzkutter hat sich als Erster auf die andere Seite des Stegs verholt, damit der kommende Starkwind ihn ruhiger schlafen lässt, wie er gestikulierend erklärt. Seine Frau schrubbt derweilen die Anlegespuren an der Backbordseite weg. Während die Schweden das Beiboot für Hafenrundfahrten aufblasen, packt der junge Franzose seine Flex aus und macht sich an seinem Stahlboot zu schaffen.

Da kann ich doch nicht untätig zusehen. Immerhin bin ich nun wieder allein, denn Gino ist längst vom ADAC vorbildlich organisiert in die Heimat zurückgeflogen und in ärztlicher Behandlung. Von Karen erfahre ich, dass sie zwar nicht ärztlich, aber vorbildlich von Svenja mit Kohletabletten versorgt wird. Ich habe ihr das Angebot gemacht, augenblicklich nach Fatima zu fahren. Das liegt hier ganz in der Nähe. Meine Aufmunterungen kamen aber nicht so recht an. Was sollte ich also tun?

Ich greife zu meiner To-Do-List und nehme mir Punkt 8 vor: Halbieren des achterlichen Kojenbretts für bessere Handhabung! Noch ehe ich beginne und meine kleine Handsäge in Anschlag bringe, verreckt der Außenborder der Schweden. (…Na, da muss die Blonde wohl nach Hause gerudert werden… ) Nach kräftigen ersten Sägeimpulsen meinerseits, kommt der ältere Franzose und bietet mir einen größeren Fuchsschwanz an. Damit geht die Arbeit schneller. Plötzlich steht der Pole hinter mir, der bis dahin im Cockpit mit der Crew etwas Prickelndes getrunken hatte, schüttelt den Kopf und reicht mir seine elektrische Bosch-Handsäge. Na, da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt.

Nach Vollbringung der Arbeit und mit zwei Hälften unterm Arm besteige ich „FindUs“. Voller Anerkennung nickt mir dabei die Dame mittleren Alters von dem großen Motorboot zu. Und ich dachte immer: Kein Schwein macht mich an. Sie hatte sich in der Zwischenzeit die Fußnägel lackiert.

Figueira da Foz - 19.10.2013
Figueira da Foz – 19.10.2013

 

Das Ergebnis eines schweren Arbeitstages
Das Ergebnis eines schweren Arbeitstages

 

Datum: 19.10.2013 – 18:09 Uhr

Position: N 40 8 50.87 / W 8 51 35.26

Richtung: 169.66

 

Position in Google Maps

 

 

Dunkle Wolken über Portugal

 

In Figueira da Foz kamen wir wegen des schwachen Windes mal wieder nachts an. Vor dem Hafen war im April eine deutsche Yacht gestrandet. Da die Ansteuerungen von Häfen in Flussmündungen an der portugiesischen Küste nicht ungefährlich sind, weisen Warnlampen auf eine Sperrung hin. Ohne Probleme konnten wir jedoch festmachen und kauften in der direkt gegenüberliegenden Markthalle morgens reichlich frische Lebensmittel ein.

Am nächsten Morgen sprang Gino dienstbeflissen mit Müllbeutel von Bord. Die Landung war jedoch unsanft und schmerzhaft. Krankenschwester R. setzte als Erste Hilfe erst einmal Eisspray, Druckverbände und Schmerztabletten ein. Wie sich jedoch später herausstellte, war eine Sehne angerissen. An eine Weiterfahrt war deswegen und auch wegen des ungünstigen Windes nicht zu denken. Doch davon ließen wir uns die gute Stimmung an Bord nicht vermiesen.

Eigenhändig fuhr Gino täglich das Boot aus der Box zum Toilettengebäude und humpelte mit Krücken die letzten 20 m zum Duschen. Die Androhung einer Infusion brachte Gino sogar zur nötigen Flüssigkeitsaufnahme. Schwester R. wird ihn mit einem Mietwagen zum Flugplatz Faro bringen. Die Gesamtseemeilen des Törns von 148,6 fallen vor diesem Hintergrund allerdings dürftig aus – davon 1,6 sm im Hafen zur Toilette.

Figueira da Foz
Figueira da Foz
Notaufnahme
Notaufnahme
Krankenschwester R.
Krankenschwester R.

 

 

Datum: 13.10.2013 – 16:15 Uhr

Position: N 40 8 52.03 / W 8 51 34.59

Richtung: 112.24

 

Position in Google Maps